Analysen so früh wie möglich
Virtuelles Prototyping minimiert Entwicklungszeiträume und gewinnt deshalb zunehmend an Bedeutung. Mit dem Add-on ETAS INTECRIO-VP können Systemmodelle ohne aufwändige Prototyping-Hardware untersucht werden. Dies ermöglicht schon in der Frühphase der Entwicklung den Einsatz von Open-Loop-Validierungen auf Basis von vorhandenen Testdaten oder den Einsatz von Model-in-the-Loop zur Validierung und Vorkalibrierung neuer Funktionen.
INTECRIO-VP bringt Virtual Prototyping auf den Arbeitsplatz-PC. Durch die Verwendung eines virtuellen Echtzeit-Betriebssystem und der steuergeräte-konformen Übertragung von Signalen zwischen den Softwarekomponenten werden besonders aussagekräftige Ergebnisse erzielt. Zusätzlich zu den Funktionsmodellen können Fahrzeug- oder Umgebungsmodelle eingebunden werden, was MiL-Anwendungen ermöglicht. Nicht nur die Funktionsvalidierung, sondern beispielsweise auch Vorkalibrierungen sind somit möglich.
Die Simulationszeit kann in INTECRIO-VP skaliert werden. So lassen sich virtuelle Experimente in Zeitraffer schneller durchführen, was beispielsweise für automatisierte Abläufe große Vorteile bietet. Durch virtuelle Experimente in Zeitlupe werden dagegen die einzelnen Abläufe einer Simulation besser erkannt.
Die Stimuli werden vom Signalgenerator der Experimentierumgebung ETAS Experiment Environment erzeugt.
Seine vielfältigen Potenziale machen INTECRIO-VP zum optimalen Tool für das virtuelle Prototyping.
Vorteile
- Virtuelles Prototyping mit unterschiedlichen Entwicklungsartefakten
- Systemmodelle können ohne aufwändige Prototyping-Hardware untersucht werden
- Einsatz von MiL-Simulationen zur Validierung und Vorkalibrierung neuer Funktionen in der Frühphase der Entwicklung
- Zusätzliche Einbindung von Fahrzeug- oder Umgebungsmodellen zu den Funktionsmodellen
- Simulationszeit kann in INTECRIO-VP durch die Zeitlupe-/Zeitraffer-Funktion bei Abläufen skaliert werden
Anwendungsbeispiel: Brennstoffzellenentwicklung bei GM
Die Teams, die im Rahmen der Fuel Cell Activity (FCA) von GM die Steuergerätesoftware für die Regelung und das Streckenmodell des Brennstoffzellensystems entwickelten, modellierten Regler und Strecke mit den Werkzeugen Simulink® und Stateflow von The Mathworks. Dabei musste die komplette Entwicklungsumgebung für den Brennstoffzellenregler modellbasiert realisiert werden, da noch keine Algorithmen aus vorhergegangenen Projekten zur Verfügung standen. Modelle, die in Vorstudien mithilfe von Rapid-Prototyping-Hardware validiert worden waren, konnten herangezogen und daraus die Implementierung des Reglers für das Steuergerät abgeleitet werden. Der automatisch generierte Code der Regelungsalgorithmen wurde durch eine modifizierte Steuergeräte-Integrationsumgebung für Motorsteuerungen in eine existierende Steuergeräte-Software-Infrastruktur eingebettet.
Die Herausforderung
Um die Regleralgorithmen in einer Model-in-the-Loop- (MiL) sowie einer Hardware-in-the-Loop-(HiL-)Umgebung betreiben zu können, muss das komplette Brennstoffzellensystem durch ein umfassendes und detailliertes Streckenmodell nachgebildet werden.
Die Lösung
INTECRIO-IP ersetzt mit dem Add-on INTECRIO-VP das Steuergerät durch eine effiziente MiL-Simulation. Die MiL-Umgebung wird sowohl von Entwicklern der Regelungsalgorithmen und der Streckenmodelle als auch von Softwaretestern als gemeinsame Plattform eingesetzt. Mit Hilfe eines Konfigurationsmanagementsystems können die einzelnen Gruppen die MiL-Umgebung unabhängig voneinander ändern.
GM-FCA verwendet INTECRIO-IP zur Integration der separaten Regler- und Streckenmodelle. Zu Beginn der INTECRIO-IP-Evaluierung basierte das Reglermodell auf der MATLAB®-Version R14SP2, das Streckenmodell dagegen auf der Version 2006b. Zur Vorbereitung der INTECRIO-IP-Integration macht ein einfaches MATLAB®-Skript die Ein- und Ausgänge des Regler- und Streckenmodells INTECRIO-IP-konform. Bei Namensgleichheit von Ein-/ Ausgangskombinationen können Strecke und Regler in INTECRIO-IP automatisch miteinander verbunden werden.
Mit INTECRIO-IP kann Code integriert werden, der von Real Time Workshop (RTW) oder Embedded Coder (EC) auf Basis von mehreren Teilmodellen und mit unterschiedlichen Versionen von MATLAB®/Simulink® erzeugt wurde. Das Verhalten des integrierten Modells lässt sich anschließend in einer Simulation auf dem PC testen.
Die Vorteile
Entwicklungen und Tests können früh im Entwicklungsprozess durchgeführt und einmal erarbeitete Ergebnisse wiederverwendet werden.
Da sich die leistungsstarken Werkzeuge INCA und LABCAR einfach um INTECRIO-IP herum gruppieren lassen, können in den verschiedenen Entwicklungsphasen die gleichen Werkzeuge für das Messen und Kalibrieren sowie für den Test und die Testautomatisierung eingesetzt werden.
Darüber hinaus beschleunigt INTECRIO-IP die Simulation und verkürzt die Turnaround-Zeiten in Bezug auf die Änderung sowie den anschließenden erneuten Test der Modelle.
Näheres im RealTimes-Artikel Virtual Prototyping bei GM.
Anwendungsbeispiel: Software-in-the-Loop durch Co-Simulation von EDC-Modell und GT-Modell am Beispiel eines MAN-Sechszylinder-Reihenmotors der Baureihe D2676LF 25
Heutige Motorsteuerungen, wie zum Beispiel das EDC-System (Electronic Diesel Control) von BOSCH, enthalten hunderte Funktionen, deren Zweck unter anderem darin besteht, die Einhaltung der gesetzlichen Abgasemissionsgrenzwerte zu bewirken. Als idealer Versuchsträger für die Anwendung von Software-in-the-Loop wurde wegen seiner hohen Komplexität ein MAN-Sechszylinder-Reihenmotor der Baureihe D2676LF 25 (Hubvolumen: 12,4 l, Leistung: 353 kW bei 1900 min-1) herangezogen. Motoren dieses Typs werden in den schweren Fahrzeugbaureihen TGS und TGX eingesetzt. Dieser Motor unterschreitet durch die zweistufige Aufladung mit Ladeluft- und Zwischenkühlung, Common-Rail-Hochdruckeinspritzung, Lambda-geregelte gekühlte Hochdruck-Abgasrückführung (AGR) und einer Abgasnachbehandlung, bestehend aus einem Oxidationskatalysator, einem Dieselpartikelfilter (DPF) und einem SCR-Katalysator (selektive katalytische Reduktion) die EURO-6-Emissionsgrenzwerte.
Die Herausforderung
Die Entwicklung und Bedatung der Funktionen geschieht in der Regel am realen Steuergerät in einem hochkomplexen und zeitintensiven Verfahren, das teilweise die Einbindung von weiteren Hardware- und Antriebskomponenten an realen Prüfständen erfordert.
Die Lösung
Mit einem virtuellen Prüfstand wurde die Bindung an existierende Komponenten und Hardware aufgehoben. Diese Flexibilität konnte genutzt werden, um den Entwicklungsprozess noch effizienter zu gestalten.
Mithilfe der Integrations- und Konfigurationsplattform ETAS INTECRIO-IP und dem Add-on INTECRIO-VP wurde eine virtuelle Entwicklungsumgebung (auch als virtueller Prüfstand) für die Anwendungsfälle Kalibrierung, Funktionsentwicklung und Optimierung erzeugt. Hierzu wurden Streckenmodelle (zum Beispiel GT-Suite, Matlab®/Simulink®) auf der einen Seite mit Softwaremodellen (Bosch EDC (Electronic Diesel Control)) auf der anderen Seite verknüpft und ein ausführbarer Code erzeugt, der schließlich mit INCA gesteuert werden konnte.
Der verwendete virtuelle Prüfstand bestand aus simulierbaren Motor- und Abgasnachbehandlungsmodellen, gekoppelt mit einer ebenfalls PC-simulierbaren Software.
Die Vorteile
Die Lösung eröffnet ein breites Anwendungsspektrum, sowohl bei der Entwicklung neuer Funktionen als auch bei der Applikation neuer oder bereits vorhandener Funktionen, bei gleichzeitig hoher Reproduzierbarkeit und Anpassbarkeit der Versuche. Der Aufwand zur Bedatung von zeitintensiven Prozessen, wie zum Beispiel die Beladung des Dieselpartikelfilters, lässt sich signifikant verringern, da Testzyklen in einer virtuellen Umgebung in einem Bruchteil der realen Zeit berechnet werden können.
Die Simulation der Software mit oder ohne entsprechende Streckenmodelle im virtuellen Prüfstand erlaubte ein echtes Front-Loading in den unterschiedlichen Phasen des Entwicklungsprozesses. So können bereits in einer sehr frühen Phase Funktionen offline und ohne spezielle Hardware bedatet und/oder getestet werden, ohne dass das reale Target verwendet werden muss. Die Bedienung des virtuellen Prüfstands erfolgt in gewohnter Umgebung mit dem Applikationstool INCA, was die Benutzerfreundlichkeit und damit die Akzeptanz der Anwender deutlich erhöht.
Da die verwendeten PC-lauffähigen Softwaremodule mit den realen Target-Software-Komponenten identisch sind und deren Ausführung auf einem Echtzeit-Betriebssystem erfolgt, ist ein realistisches Verhalten der Softwaremodelle gewährleistet. Die Ergebnisse, die im virtuellen Prüfstand erzielt werden können, hängen entscheidend von der Güte der verwendeten Streckenmodelle ab. Die Verwendung von Streckenmodellen aus der Motorenentwicklung sicherte hier eine gute Modellverfügbarkeit mit entsprechend hoher Modellgüte.
Es zeigen sich weitere, unterschiedliche Anwendungsszenarien für die virtuelle Entwicklungsumgebung. Neben der klassischen Kalibrierung der Funktionen kann mit diesem Tool unter Zuhilfenahme von Optimierungswerkzeugen auch eine automatisierte Optimierung durchgeführt werden. Außerdem ist durch den modularen Aufbau der virtuellen Umgebung ein Austausch einzelner Funktionen jederzeit möglich. Damit kann die Entwicklungsumgebung auch in der Funktionsentwicklung eingesetzt werden.